Asta Lynge
Ausstellungseröffnung: Samstag, 17. Mai 2025
17:00 Uhr Overbeck-Pavillon
In ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung in Deutschland realisiert die dänische Künstlerin Asta Lynge in Lübeck eine ortsspezifische Installation sowie eine Reihe neuer Arbeiten, die Machtstrukturen hinter Objekten aufdecken, die wir gemeinhin mit Komfort, Stabilität und Wert assoziieren. Gegenstände, die wir für unseren Gebrauch schaffen, verkörpern unsere wachsende „Capacity“ – also unsere Fähigkeit, Bedürfnisse zu erfüllen, Funktionen zu optimieren oder Identität auszudrücken. Doch je mehr wir diese Dinge perfektionieren, desto mehr geraten sie – und wir selbst – in eine paradoxe Lage: Unsere Kapazität zu gestalten und zu wachsen, stößt an ökologische und materielle Grenzen.
Aktuell befinden sich diese Gegenstände in einer permanenten Krise zwischen Fortschritt und Endlichkeit: Einerseits stehen sie für unseren Willen nach immer höherer Effizienz, größerer Anpassungsfähigkeit und Innovation. Andererseits bedrohen begrenzte Ressourcen, ökologische Zerstörung und soziale Spannungen ihre Existenz und ihre ethische Vertretbarkeit
In *Capacity* arbeitet Lynge mit wiedererkennbaren, wertgeladenen Objekten wie Perlen, Sofas und Gitarren, deren gewohnte Funktionen sie durch ihre künstlerischen Interventionen stört, dekonstruiert und damit für den ursprünglichen Gebrauch untauglich macht. Dabei handelt es
sich um Objekte, die mit Stabilität im konservativen oder bildlichen Sinne assoziiert werden.
In Lynges Händen werden sie auf ihre rudimentärsten Formen reduziert und dabei ihrer vorgesehenen Funktionalitäten beraubt. Gerüste, Infrastrukturen und Fortschrittserzählungen halten unsere Welt zusammen und bleiben doch oft unsichtbar. Solche Systeme nehmen Gewicht auf, verleihen Form und ermöglichen Prozesse, üben aber auch eine gewisse Kontrolle aus und schränken bestimmte Handlungen ein.
Die Ausstellung lädt dazu ein, die eigene Position in Bezug auf diese nun funktionslosen Objekte zu überdenken. Das bis auf sein Gestell zerlegte Sofa, eine Gitarre ohne Klang, Perlen, die nicht getragen werden können – Symbole des Komforts, des Verlangens und des Wertes werden als zerbrechliche Embleme der Macht entlarvt. Die Objekte, denen wir in dieser Ausstellung begegnen, befinden sich in einem Schwebezustand, irgendwo zwischen dem Prozess der Herstellung und dem der Demontage. Lynge lenkt die Aufmerksamkeit auf den Entstehungsprozess selbst und lädt uns ein, diese Objekte nicht als fertige Produkte, sondern als in Arbeit befindliche Werke zu betrachten. Die Objekte widersetzen sich der Vollendung – nicht aus Gründen des Scheiterns, sondern als bewusster Akt, der die Spannung einer Welt widerspiegelt, die immer weiter produziert, um die Illusion des Fortschritts aufrechtzuerhalten, auch wenn sie unter dieser Last zerbricht.
Lynges Objekte bieten keine Lösung an; vielmehr verkörpern sie eine Kontinuität, eine sich wiederholende Choreografie zwischen Herstellung und Demontage, ohne dass ein Endpunkt in Sicht wäre. In Capacity fordert Lynge uns auf, darüber nachzudenken, was passiert, wenn das Versprechen scheitert und nur der Rahmen – die Struktur, der Überrest – zurückbleibt.
Kuratiert von Paula Kommoss